ECE Center Leer – Ein Déjà-vu aus Wilhelmshaven

Seit einiger Zeit verfolge ich gespannt die Berichterstattung und die Vorgänge um das in Leer geplante ECE Center. Und irgendwie fühle ich mich in einem Déjà-vu. So sehr erinnern mich politisches Wirrwarr und „zielgerichtete“ Berichterstattung der örtlichen Tageszeitung an die Vorgänge der vergangenen Jahre in Wilhelmshaven. Selbst von einem „Leuchtturmprojekt“ war in Leer bereits die Rede. Just diese Bezeichnung war ja das Lieblingswort unseres ehemaligen Wilhelmshavener Oberbürgermeisters. Und was aus den ganzen Wilhelmshavener „Leuchtturmprojekten“, die von der örtlichen Tagespresse hinreichend „beworben“ wurden, geworden ist, ist hinreichend bekannt.

Doch zurück zum „Mühlenquartier“ wie das geplante ECE Center seit neustem und schmeichelhafter genannt wird. Wilhelmshaven hat seine Nordseepassage. Zwar nicht von ECE sondern im Besitz des Treveria Fonds und in Verwaltung der Treveria Asset Management GmbH, doch just diese Nordseepassage wuchs sich in der Vergangenheit, nach anfänglichen, Leer ähnlichen, Hochrufen, eher zum Fluch denn zum Segen aus.

In Wilhelmshaven prägt die Nordseepassage mehrschichtig die Stadtentwicklung. Städtebaulich wirkt sie bollwerkartig wie eine Stadtmauer, deren Tore um 22:00 Uhr geschlossen werden, zwischen City und Meer. Was z.B. Konzertbesucher des Pumpwerk oder Südstrandbesucher auf dem Weg in die City, zu Umwegen um dunkle Ecken zwingt. Doch dort, an den dunklen Ecken, haben jetzt, welch Segen für die Sicherheit, Überwachungskameras Einzug gehalten.

Die eigentliche City mit der Marktstraße war und ist auf Gedeih und Verderb den Aktionen der Passagenverwalter, deren Centermanagement im Jahresrhythmus ausgetauscht wird, ausgeliefert, um überhaupt noch einige Kunden abzubekommen. Zumal auch das mit der Passage verbundene und dem gleichen Besitzern gehörende Karstadt Gebäude lange Zeit dem Leerstand preisgegeben wurde. Einige Geschäfte hat dies die Existenz gekostet oder an den Rand der Aufgabe gebracht. Und damit sind wir bei einem wichtigen Punkt angelangt, vor dem so mancher Politiker und Befürworter die Augen Verschließt: die Macht und das Kalkül der Center-Betreiber/-Besitzer. Hier geht es nur um Bilanzen! Mieteinnahmen bringen positive Zahlen, Leerstände bringen Abschreibungsmöglichkeiten. Letztendlich ist immer ein Gewinn, für den Besitzer, da. Was dies aber für die Umgebung außerhalb des Mikrokosmos „Einkaufscenter“ bedeutet, interessiert nicht. Zu weit sind die Vorstandsetagen vom Ort des Geschehens entfernt und der Bezug zum Standort fehlt.

Wie „knallhart“ zudem hier mit Mietern umgegangen wird, zeigt eindrucksvoll die Anfang des Jahres ausgesprochene Kündigung des längsten und wohl größten Mieters der Nordseepassage, der Leeraner J. Bünting Beteiligungs AG, die seit Eröffnung der Nordseepassage dort einen Combi Verbrauchermarkt betreibt und weitere Flächen an die „Stadtbäckerei“ und an „Fisch Kalter“ untervermietet hat. Vor dem Hintergrund das ca. 1/3 und vornehmlich große Ladenflächen der Passage nicht Vermietet sind, kann man wohl nur von Arroganz zur Durchsetzung seiner Forderungen sprechen. Es ist also kaum ernsthaft zu glauben, dass sich ein Centermanagement in Leer darauf einlässt Mieter abzulehnen, die ihren Standort in der City aufgeben würden.

Aber diese Arroganz hat auch ihren positiven Effekt. In Wilhelmshaven finden erste Mieter den Weg zurück in die eigentliche City, die sich langsam aber sicher vom Siechtum erholt. Nur die Presse, die versucht sich immer noch im „Bewerben“. Der Trend beim lokalen Journalismus vieler Orten ist leider in den letzten Jahren erheblich „verkommen“. Wo früher nachgefragt wurde, wird heute unreflektiert übernommen. Wo früher kritische Äußerungen standen, prangt heute Werbung. Ein fataler Trend!

Auch so manchem Politiker wünscht man Weitblick und Kreativität. Es müssen nicht immer die großen Investoren, von irgendwo aus der Welt, sein, die „Denkmäler“ schaffen. Die eigenen Bürger/innen, und Wähler/innen, kennen ihre Stadt, haben Ideen die es für „kleines“ Geld gibt und nachhaltig eine positive Entwicklung bringen. Kreativität vor Zahlen zahlt sich langfristig aus!

Leer sollte das nutzen was es hat! Eine wunderbare Altstadt, viel Potenzial und Bürger/innen die gewillt sind etwas zu bewegen, um auch ohne Center (sorry, Mühlenquartier) zahlreiche Besucher und Kunden in eine attraktive Innenstadt zu locken.

3 Gedanken zu „ECE Center Leer – Ein Déjà-vu aus Wilhelmshaven

  1. Respekt, lieber Helmut, eine so durchgängig gelungene Beschreibung aus der norddeutschen Nachbarschaft von Leer und Warnung zugleich an alle, die meinen den Stein der Weisen gefunden zu haben, sich letztendlich jedoch als „Totengräber“ iher eigenen Handlungen zum Nachteil iher Stadt haben missbrauchen lassen.

    • Danke! Ich denke Wilhelmshaven ist Leer näher als Hameln oder sonstige vergleichbare „ECE Städte“ und zeigt ganz gut welche vielfältigen Auswirkungen so ein Vorhaben begleiten.

  2. Das sich Hameln als positives Beispiel für Leer erledigt hat, haben selbst die beratungsresistentesten Verfechter (z.B. die Ostfriesen-Zeitung) der ECE-Schnapsidee bemerkt, bei weitem nicht alle Kommunalpolitiker, aber vor allen Dingen die der SPD und CDL haben es jedoch immer noch nicht gecheckt und glauben noch ihren ECE-Einflüsterern.

    Als Mega-Negativ-Beispiel und Warnung für Leer, eignet sich die 51.000 Einwohner-Stadt Wetzlar ausgezeichnet.

    http://www.neue-mitmach-zeitung.de/leer/lokales/die-leeraner-wetzlar-ece-luege-interview-mit-silke-maier-aus-wetzlar-d14874.html

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