Kinogeschichte in Wilhelmshaven
Zucken einige von uns bei dem Begriff „Kultur“ zusammen und denken an Frack und Abendkleid, bringen die wenigsten das Kino mit diesem Begriff in Verbindung. Doch wo Theater und Museen von einer begrenzten Anzahl von Besuchern angenommen werden, bietet das Kino Kultur für eine breite Öffentlichkeit. Wilhelmshaven macht da keine Ausnahme. Insbesondere in der Wiederaufbauzeit nach dem Krieg, bot das Kino kulturelle Entspannung vom harten Alltag. Ein Kinobesuch war etwas Besonderes. Man machte sich chic, ohne es mit Frack und Abendkleid auf die Spitze zu treiben, und gönnte sich etwas.
Wilhelmshaven war damals für die deutsche Filmindustrie sogar so interessant, dass 1950 mit dem Film Schwarzwaldmädel, unter Beteiligung der Hauptdarsteller Sonja Ziemann und Rudolf Prack (heute sicher mit Veronika Ferres und Til Schweiger zu vergleichen), die Wiedereröffnung des Capitol in der Parkstraße gefeiert wurde!
Die wechselvolle Geschichte der Kinolandschaft Wilhelmshavens, hatte 1957 mit neun Kinos, unter der Leitung von sechs Betreibern, und 5.104 Sitzplätzen ihren Höhepunkt erreicht. Namen wie „Apollo-Theater“ oder „Gloria-Theater“ lassen noch die Kulturzugehörigkeit erkennen.
Und die Familien Ruge und Lübbers, oder Namen wie Hermine Felke, Egon Grunewald, Wilhelm Matthes, Walter Steinmeyer und Wilhelm Tammen, waren als Betreiber untrennbar mit dem Begriff Kino verbunden.
Doch bereits mit dem Anfang der 60er Jahre begannen auch in Wilhelmshaven Schließungen, Übernahmen und Rückbauten. Der Negativtrend in der Kinolandschaft hinterließ seine Spuren. Und bis Mitte der 60er waren 5 Kinos von der Bildfläche verschwunden.
Willi Lübbers und sein Geschäftsführer Rolf Franzen, sowie Egon Grunewald waren mit ihren Kinos „Apollo-Theater“ und „Capitol“, bzw. „Regina-Lichtspiele“ und „Gloria-Theater“ die Überlebenden der Rezession. Die Gesamtzahl der Sitzplätze hatte sich auf 2.415 reduziert.
In den folgenden 20 Jahren hatte der Kampf um den Zuschauer und diverse Betreiberwechsel, zu immer neueren Umbauten, wie Schachtelkinos, Raucher-, Service und Verzehrkinos, Einrichtungen aus Sitzgruppen mit Rufanlage für Getränkebestellungen, bis zur Vorführung von Pornofilmen, zur völligen Umstrukturierung der Kinolandschaft geführt. Und die Ansiedelung des „Film-Zentrum am Rathaus“ Ende 1980 durch einen externen Betreiber, führte zum völligen Verlust der bisher gewachsenen Kinolandschaft.
Gab es gegen Ende des Jahres 1979 noch die drei Kinos „Apollo“, „Capitol“ und „Gloria“ mit Gesamt 1.047 Plätzen, hatte sich diese Zahl zehn Jahre später auf das neue „Film-Zentrum am Rathaus“ und das zwischenzeitlich als Programmkino wiedereröffnete „Apollo“ mit Gesamt 940 Plätzen reduziert.
Eine Alternative zum „Film-Zentrum“ hatten Ende 1982 die Braunschweiger Johanna Albrecht und Klaus Brencher mit dem „Apollo-Programmkino“ geschaffen. Das Programm sollte bunt gemischt sein und aus anspruchsvollen sowie unterhaltsamen Filmen bestehen. Im von der Stadt Wilhelmshaven bezuschussten „Kommunalen Kino“, konnten zu dem künstlerisch wertvolle Filme gezeigt werden, die nicht an einen finanziellen Erfolg gebunden waren.
Nach zwischenzeitlichem Betreiberwechsel und dem anschließenden Verlust der städtischen Förderung, starteten die Wilhelmshavener Michael Kundy und Diethelm Bosold Mitte 1987 einen Neuanfang des „Apollo“ mit anspruchsvollen und wertvollen Filmen. Um den Betrieb finanziell abzusichern, wurden allerdings auch Kassenschlager gezeigt. Die Weigerung vieler Verleiher, auf Grund hinterlassener Schulden des Vorbesitzers, Filme an das „Apollo“ zu geben, konnten die beiden neuen Betreiber zu Anfang nur mit Vorauszahlungen aufheben.
Der rege Zuspruch der Wilhelmshavener Bevölkerung war Lohn und die weitere Existenz dieses Kinos vorerst gesichert.
1991 renovierte das „Filmzentrum am Rathaus“ alle sechs Kinosäle, Foyer sowie die Außenfassade um eine freundliche Atmosphäre zu schaffen und dem Marktanforderungen gerecht zu werden. 1995 übernahm auch hier ein neuer, wieder externer, Betreiber die Leitung.
Mit den Bemühungen der Stadt im Rahmen der Sanierung der Bahnhofsumgebung ein Großkino anzusiedeln, und der positiv entschiedenen Bauvoranfrage der amerikanischen „United Cinemas International“ (UCI), zeichnete sich etwa zwei Jahre später der vorerst letzte Umbruch in der Kinolandschaft Wilhelmshavens ab. Nach einigen Verzögerungen und dem Ein- und Ausstieg verschiedener Bewerber, wurde der Bau letztendlich durch einen Kölner Investor und der „Hoyts Cinema Europe“, als Betreiber, umgesetzt.
Ende 1999 wurde dann das „Kinopolis“ Multiplex mit 9 Sälen und etwa 1.780 Plätzen eröffnet. Auf das „Filmzentrum am Rathaus“ hatte diese Eröffnung jedoch derart negative Auswirkungen, dass dort bereits ein Jahr später die letzte Vorstellung stattfand.
Die Zukunft seines „Apollo“ hatte Michael Kundy wohl positiver gesehen. Denn 1997 wagte er mit der Renovierung des Saals, und dem Einbau einer neuen „Dolby-Digitalton-Anlage“ eine umfangreiche Investition.
Basis hierfür war seine gute Programmgestaltung, die mit vielen Bundesfilmprogrammpreisen sowie dem Niedersächsischen Filmprogrammpreis honoriert wurde. Eine ggf. gefürchtete Verdrängung durch das „Kinopolis“ fand tatsächlich nicht statt.
Ab 2001 gingen die Geschäftsleitung der Multiplex-Gruppe und Kundy sogar gemeinsame Wege: Er übernahm, ausgestattet mit großer Entscheidungsfreiheit, die Theaterleitung des „Kinopolis“ und verlegte das Programmkino „Apollo“ ab September 2001 in einen Saal des Multiplex.
Nach zwischenzeitlich zwei neuen Betreibern und einem Namenswechsel,
ist das „Kinoplex“ seit September 2008 beim ursprünglichen Antragsteller, der UCI Gruppe angekommen.
Die Zukunftsplanung dieser Gruppe sieht für Wilhelmshaven, unter der Theaterleitung von Michael Kundy, vielversprechend aus. So ist mit 3D-Technik Kino der nächsten Generation bereits eingezogen. Liveübertragungen von Konzerten und Opernaufführungen könnten, neben dem Apollo Programmkino, einen besonderen Bogen zur Kultur spannen. Zusammen mit der Aufwertung des Gastronomiebereichs als hochwertiges Lounge Café, wird den Besuchern das geboten was Kino ausmacht: ein besonders Kulturerlebnis!